EIN TRADITIONSGERICHT, ZWEI ENTSTEHUNGSGESCHICHTEN, VIELE REZEPTE UND NOCH MEHR GENUSS
Wo und wann ist der Pichelsteiner Eintopf kreiert worden und von wem? Und wie heißt er richtig – Pichelsteiner oder Büchelsteiner? Vorab: Auf den Tag genau lässt sich die Geburtsstunde nicht mehr rekonstruieren. Zwei Orte, Grattersdorf und Regen, die beide dem Eintopf heute noch im Rahmen eines Fests huldigen, verbinden eine Geschichte mit dem Gericht.
Im niederbayerischen Grattersdorf gibt es den Hausberg Büchelstein, wo ab 1835 jährlich zum Bennotag der Grafenauer Landrichter Storlein eine Gesellschaft um sich geschart haben soll. Um die feinen Leute mit einem warmen Gericht zu bewirten, ersann der Überlieferung nach die Wirtin Augusta Winkler (gelegentlich auch Auguste genannt) das Büchelsteinergericht – ein Eintopf aus dreierlei Fleischsorten, Erdäpfeln und gelben Rüben.
Wann die Wirtin Winkler ihr „Büchelsteiner“ zum ersten Mal gereicht hat – da gehen die Meinungen allerdings auseinander. So sind in manchen Quellen die Jahreszahlen 1847 und 1848 vermerkt, was Heimatforscher wiederum bezweifeln: Kam doch Augusta Winkler erst 1853 nach Grattersdorf. Zuvor hatte die im Jahr 1824 in Kirchberg Geborene von Kießling mit ihrem Mann Ferdinand Winkler eine Gastwirtschaft mit Metzgerei in Regen bewirtschaftet. Erst nach dem Tod von Ferdinands Vater übernahmen Augusta und Ferdinand die Hofmarkwirtschaft von Ferdinands Eltern in Grattersdorf – das war 1853. Augusta Winkler starb am 15. März 1871. Den Büchelsteiner Eintopf gibt es bis heute. Ebenso das Büchelsteiner Fest, zu dem das Gericht Jahr für Jahr wieder zubereitet wird. In den letzten Jahrzehnten oblag diese Aufgabe den Wirtsleuten Raith von Kerschbaum. Für den zugehörigen Festgottesdienst am Stoa (Büchelstein) war die Waldvereins-Sektion zuständig. Mittlerweile wird das Fest in etwas kleinerer Form am Fuße des Bergs gefeiert. Der Entstehungsgeschichte zufolge pflegen die Grattersdorfer für ihren Eintopf die Schreib- und Sprechweise „Büchelsteiner“, in der Mundart „Bichlstoaner“.
Die Geschichte des Pichelsteiners
Ein Fest zu Ehren des Pichelsteiner Eintopfs hält auch Regen alljährlich ab. Über die Entstehungsgeschichte lässt sich in verschiedenen Quellen mehrerlei nachlesen. So findet sich eine Variante, der zufolge das Pichelsteiner bereits im 18. Jahrhundert erfunden wurde. Eine Bäuerin sah sich demnach im Jahr 1742 mit der Herausforderung konfrontiert, den Panduren Trenck und seine Leute zu verköstigen. In Ermangelung anderer Zutaten kochte sie in einem großen Topf Kraut und Rüben und einige Reste Fleisch. Der Haken, der den Topf über dem Feuer hielt, soll Pichel genannt worden sein.
Was sich sicher sagen lässt: Das Pichelsteinerfest ist zum ersten Mal 1874 gefeiert worden. Spätestens in diesem Jahr also muss das Pichelsteiner in der Regener Variante erfunden worden sein. Im Sommer 2024 wird das Fest zum 150. Mal gefeiert.
Sowohl für die Regener Variante als auch für die Büchelsteiner gibt es diverse Rezeptvariationen. Welche Version nun die wahre ist? Je nachdem, wo die Geschichte niedergeschrieben wurde, lässt sich bei den Befragten mal mehr Sympathie für den einen, dann wieder für den anderen Ort erkennen.
Quelle: Monika Bormeth, freie Journalistin im Auftrag der Genussregion Niederbayern
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