Bei ihm geht's ans Eingemachte

SIMON HANNIGS HERZ SCHLÄGT FÜR FERMENTATION: SEINE WICHTIGSTE ZUTAT IST DIE ZEIT

NAME: Simon Hannig

 

GEBURTSJAHR: 1986

 

GEBURTSORT: Hutthurm, aufgewachsen in Hauzenberg 

 

WOHNORT: Passau

 

LIEBLINGSORT IN NIEDERBAYERN: im Garten meiner Eltern in Hauzenberg

 

GELERNTER BERUF: Koch, Betriebswirt

 

MEINE BERUFUNG: Kochen, Fermentation seit 2016

 

MEIN MENTOR UND LEHRMEISTER: Das Wesentliche habe ich mir autodidaktisch beigebracht

 

MEINE LEIBSPEISE ALS KIND: Schnitzel

 

MEINE AKTUELLE LEIBSPEISE: immer noch Schnitzel

 

LIEBLINGSGETRÄNK: Kombucha

 

DA KAUFE ICH EIN / DA GEHE ICH ESSEN:

Ich kaufe gerne im Passauer Bio- und Unverpacktladen „Tante Emmer“ ein. Zum Essen gehe ich gerne in die Pizzabar Mari am Residenzplatz, man sitzt schön und es gibt die beste Pizza!

 

DAS DARF IN MEINER KÜCHE NICHT FEHLEN: Miso

 

MEIN KÜCHENTIPP:

Miso und Sojasoße verwenden! Und generell – sich trauen und Neues ausprobieren.

Einer bekannten Redensart zufolge gilt jemand mit einer neuen Idee so lange als verrückt, bis sich die Sache durchgesetzt hat. Simon Hannig ist so jemand: Ein Koch, ein Kreativer, ein Tüftler in der Küche, ein Pionier – viele bewundern ihn, manche finden ihn zu innovativ. Konservative Zeitgenossen verlassen schon mal sein Lokal nach dem Blick auf die Speisekarte. „Die verstehen nicht, was ich mache“, sagt Simon Hannig und nimmt einen seiner Lieblingsbegriffe in den Mund: „Miso – damit können ja noch nicht einmal alle Köche etwas anfangen.“ Er aber kann. Simon Hannigs Herz schlägt für die japanische Kochkunst und für das Fermentieren. Wer Neues wagt, dem ist bei ihm ein geniales Geschmackserlebnis gewiss.

 

Seit April 2024 betreibt Simon Hannig gemeinsam mit seiner Frau Aleksandra Gostic-Hannig und dem Koch Alessandro Rossetti das Forum Esskultur in der Passauer Theresienstraße. Ferner kennt man Hannig als Chef der Umami-Bar. Was viele nicht wissen: Simon Hannig verkauft mit seiner Frau und Mitstreiter Rossetti über einen Shop auch eine Vielzahl selbstkreierter Misos, Sojasoßen, Pestos und anderer Produkte, die von der asiatischen Küche inspiriert sind – die Besonderheit: Mindestens ein Bestandteil der Produkte ist fermentiert. „Hangoro“, ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der drei Betreiber, steht für das Projekt. Die wichtigsten Zutaten: ein Schimmelpilz namens Aspergillus orizae und ganz viel Zeit.

 

„Ich gehe nie mehr in eine Küche“: Mit diesem Vorsatz hat Simon Hannig einst seine Kochlehre in einem gehobenen Vilshofener Lokal abgeschlossen. Gelernt habe er viel, blickt er zurück. Auch die Qualität der Speisen sei exzellent gewesen. Den Umgangston in der Küche und das Arbeitsklima hingegen hat er in schlechter Erinnerung. Schnell stand fest: Sollte er tatsächlich dauerhaft in der Gastronomie arbeiten, dann als sein eigener Chef.

 

Vision von der Selbstständigkeit

Mit seinem Berufswunsch hat Simon Hannig, 1986 in Hutthurm geboren und als eines von vier Kindern in Hauzenberg aufgewachsen, Neuland beschritten. Sein Vater war Förderschullehrer, die Mutter Sozialpädagogin, einen Koch gab es in der Familie noch nicht. Und doch war es die Oma, die seine Neugierde für die Kulinarik schon im Kindesalter weckte: „Ihr Apfelstrudel war einfach grandios. Der beste auf der Welt.“ So kam es, dass Simon Hannig sich nach und nach fürs Kochen begeisterte. Nach dem Besuch der Wirtschaftsschule ging er zunächst auf die Fachoberschule und machte das Fachabitur. Schließlich entschied er sich für die Kochlehre in Vilshofen. Nach der Ausbildung hängte er die 13. Klasse an der Berufsoberschule dran, um an der TH Deggendorf Betriebswirtschaftslehre zu studieren – die Vision mit der Selbstständigkeit stetig im Hinterkopf. „Ich wollte mir alle notwendigen Grundlagen für die Betriebsführung aneignen.“ Größter Erfahrungsgewinn im Studium war das wissenschaftliche Arbeiten. Sich durch Recherche etwas erschließen, das sollte Simon Hannig in den Folgejahren noch öfter helfen.

 

Damals bereits an seiner Seite war seine Partnerin Aleksandra, die sich ebenfalls für die Gastronomie begeisterte. „Meine Frau Aleks und ich haben uns unser Studium im Grunde komplett durch die Gastro finanziert“, blickt Simon Hannig zurück. „Sie im Service, ich in der Küche.“ Beide haben damals schon in Passau gelebt und wohnen heute in der Altstadt.

 

Im Mai 2016 wagten die beiden den ersten Schritt in die Selbstständigkeit: Für 5000 Euro erstanden sie einen Streetfoodtruck und boten damit auf dem Passauer Wochenmarkt erstmals Streetfood an. Einer glücklichen Fügung zufolge war im gleichen Jahr im Dezember ein Ladenlokal in der Schrottgasse frei: „Mit dem Erbe meiner Oma, einem kleinen Betrag, konnte ich dort mein erstes Lokal eröffnen. Die Scirocco-Bar.“ Bald schon ein Geheimtipp für besonderes Essen. Im November 2017 schließlich eröffnete Simon Hannig außerdem die Umami-Bar in der Grabengasse, die bis heute erfolgreich läuft. Im Namen klingt bereits an, was Hannig geschmacklich so reizt: Das japanische Wort „Umami“ gilt als fünfte Geschmacksrichtung neben süß, sauer, salzig und bitter und wird gerne mit fleischig, delikat-würzig oder rauchig umschrieben.

 

Vielfalt in der Küche

Hannigs jüngste Errungenschaft, das Forum Esskultur, eröffnete er gemeinsam mit seiner Frau Aleksandra und dem Koch Alessio Rossetti in den Räumen des ehemaligen Café Duft. Die Küche ist von diversen Geschmacksrichtungen inspiriert: „Ich bin Bayer, meine Frau ist Bosnierin, Alessandro ist Italiener – das ist schon mal eine wunderbare Mischung.“ Auch den syrischen und persischen Einfluss schätzt Hannig. Das Wichtigste in seinen Lokalen: „Die richtigen Mitstreiter, die verstehen, was wir machen und die Handgriffe der japanischen Küche beherrschen.“ In seiner eigenen Ausbildung habe der Fokus noch sehr auf der französischen Kochkunst gelegen. Aus persönlicher Begeisterung heraus hat sich Simon Hannig in den Folgejahren immer weiter fortgebildet, was die japanische Küche und besonders das Fermentieren angeht. Angeregt wurde seine Begeisterung durch Beiträge auf Instagram. „Ein prominentes Beispiel aus der Fermentationsküche ist Kimchi, aber es gibt noch so viel mehr.“ Letzteres hat Simon Hannig auch wieder regionalisiert und nutzt statt dem üblichen Chinakohl gerne Weißkraut aus der Heimat.

 

Der Einsatz seiner selbstproduzierten Misos und Sojasoßen ist für Simon Hannig aber weit mehr als eine Geschmacksfrage. Auch der Regionalaspekt und die Wiederverwertbarkeit spielen eine Rolle. „Miso ist eine fermentierte Paste aus Reis, Sojabohnen, Koji und Salz“, erklärt er und fügt hinzu, dass er die Sojabohnen von einem Anbauer aus München bezieht – oder stattdessen wahlweise auch mal Erbsen oder Kichererbsen einsetzt. Auch eine Sojasoße aus Resten von Brot hat er schon kreiert oder aus Kaffeetrester: „Mit Produkten, die eigentlich übrigbleiben würden, erzeugt man die überraschendsten Geschmacksrichtungen.“ Und das alles mit Hilfe eines Pilzes: Traditionell werden Sojabohnen oder Reis mit dem Aspergillus orizae beimpft, wodurch ein Myzel – das Koji – entsteht, das schon nach wenigen Tagen angenehm duftet. Aus dem Koji lassen sich jede Menge andere Produkte zaubern. Am wichtigsten ist es, den Dingen Zeit zu geben. Simon Hannigs Produkte reifen Wochen, Monate, teilweise sogar Jahre. „Unsere bayerische Fischsoße entsteht aus übrigbleibenden Karkassen. Der Reifeprozess dauert ein Jahr lang.“

 

Qualität und Zeit also, die man da bekommt. Geht es um seine Zukunftsvision, dann spricht Simon Hannig davon, „Hangoro“ zu seinem wichtigsten Standbein zu machen. Seine Lokale würde er dann wie die 2019 gegründete Kochschule mehr aus Leidenschaft, denn als Haupterwerb weiterbetreiben. „Die Zukunft der gesamten Gastrobranche steht leider unter keinem guten Stern“, sagt Simon Hannig ganz offen. „Die Corona-Nachwehen und die Inflation sorgen für eine generell triste Konsumstimmung. Hinzu kommt dieses Riesenproblem mit dem hohen Mehrwertsteuersatz, der seit Anfang 2024 wieder gilt. Wer in ein Lokal geht, muss so viel mehr bezahlen – dabei geben wir Wirte ohnehin nur einen Bruchteil der Zusatzkosten an die Gäste weiter, weil sich sonst gar niemand mehr einen Lokalbesuch leisten könnte. Da bleibt nur zu hoffen, dass sich die Politik endlich dieser Problematik annimmt, sonst werden viele Lokale das nicht überleben.“

 

Eine weitere Herausforderung, die speziell auf Simon Hannig zutrifft: „Unsere Küche ist sehr innovativ. Das schätzen zwar die einen. Manch traditionellem Esser klingen unsere Gerichte jedoch erst einmal zu experimentell.“ Umso mehr freut sich Simon Hannig über die Begeisterung derjenigen, die sich auf seine Küche einlassen. Alle anderen lädt er ein, Neues zu wagen: „Asiatisch inspiriert zu kochen, heißt nicht, dass alles typisch asiatisch schmeckt. Wir nutzen die Fertigkeiten dieser Küche, lassen uns von den Esskulturen aller Welt inspirieren und experimentieren. Heraus kommt oft ein völlig unerwartetes Geschmackserlebnis. Es lohnt sich.“

 

Quelle: Monika Bormeth, freie Journalistin im Auftrag der Genussregion Niederbayern

Bilder: Fotostudio Eder (Passau)

Unsere 5 Fragen

ICH VERBINDE GENUSS MIT…

…Gemeinschaft


MEINER BERUFUNG GEHE ICH NACH, WEIL…

…es meine Leidenschaft ist und weil ich es wichtig finde, was ich mache.

 

DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN SEHE ICH AKTUELL,…

in der Inflation, den Corona-Nachwehen und in der generell tristen Konsumstimmung.


WENN ICH IN DIE ZUKUNFT BLICKE, DANN…

bin ich sehr sorgenvoll, gebe aber die Zuversicht nicht auf.

 

MEIN PERSÖNLICHER TIPP FÜR EINEN NACHHALTIGEN LEBENSMITTELKONSUM LAUTET:

…unbehandelte Lebensmittel kaufen und fermentieren.

KONTAKT

Simon Hannig | Esskultur Forum (Kochschule & Laden & Design)

Theresienstrasse 19 | 94032 Passau | 0851/213 730 82

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