Vom puren Genuss und den Geschichten dahinter

ALS GENUSSMANAGERIN WECKT MIRIAM DICK BEGEISTERUNG FÜR REGIONALE KULINARIK UND KNÜPFT NETZWERKE

NAME: Miriam Dick

 

GEBURTSJAHR: 1986

 

GEBURTSORT: Ludwigsburg

 

WOHNORT: Neukirchen am Inn

 

GELERNTER BERUF: Sportmanagement mit Schwerpunkt Eventmanagement M.A., Tourismusmanagement B.A., ausgebildete Kräuterfachfrau und Kräuterpädagogin

 

MEINE BERUFUNG: Menschen in einer Mischung aus Brauchtum und Moderne für bio-regionale, hochwertige Lebensmittel begeistern, die im Einklang mit der Natur und ihrem Jahreskreislauf entstehen.  Darüber hinaus möchte ich wieder die Wertigkeit des Essens bewusst machen. Dann „du bist, was du isst“.

 

…ÜBE ICH AUS SEIT: Schon als Achtjährige habe ich meine Ernährung das erste Mal bewusst umgestellt. Ernährung war für mich immer ein wichtiges Thema. Seit 2022 kann ich meine Berufung als Genussmanagerin und als Wuidewurzn beruflich ausüben.   

 

MEIN MENTOR UND LEHRMEISTER: Die Natur hat mich vieles gelehrt. Meinem Opa verdanke ich die Liebe zu den Kräutern und meiner Mama und meiner Oma die Kochleidenschaft. Ich bin aber auch ein großer Buchsammler und lasse mich gerne von vielen Menschen inspirieren. Eine prägende Rolle spielt unser Genussbotschafter Bernhard Senkmüller, der mir sehr ans Herz gewachsen ist.

 

MEINE LEIBSPEISE ALS KIND: Grünkernlasagne von Mama, Erdbeerknödel von Oma

 

MEINE AKTUELLE LEIBSPEISE: Ein selbstgemachter Aufstrich aus Saubohnen, Knoblauch und Olivenöl – am besten auf einem selbstgebackenem, frischen Sauerteigbrot.

 

LIEBLINGSGETRÄNK: Hollerschorle, wilde Kräuterlimonade

 

DA KAUFE ICH EIN / DA GEHE ICH ESSEN: Was ich nicht in meinem Garten finde, kaufe ich überwiegend bei Direktvermarktern, in Hofläden oder im Bioladen. Essen gehe ich selten, da ich gut damit beschäftigt bin, meine eigene Ernte zu verspeisen. Meine top Five: Forum Esskultur, Goldenes Schiff, Frau Dunschn (alle in Passau), in Perlesreut das Wirtshaus Hafner und der Danibauer in Freyung.

 

DAS DARF IN MEINER KÜCHE NICHT FEHLEN: meine selbstgemachten unterschiedlichen Wildkräutersalze und Gemüsebrühen

Man muss viel Ferne getrunken haben, um den Zauber des Nächsten zu fassen, so besagt es ein Aphorismus. Miriam Dick hat entlegene Winkel der Welt bereist – und doch ist ihr Lieblingsplatz der heimische Garten in Neukirchen am Inn. Dort findet sie nicht nur Genuss pur, sondern auch Erinnerungen an eine Kindheit, in der ihre Faszination für heimische Nahrungsmittel geweckt wurde. Mit dem Zuschlag für die Projektleitung der „Genussregion Niederbayern“ schließt sich für Miriam Dick im Mai 2022 der Kreis zwischen damals und heute.

 

Niederbayern hat so viel mehr zu bieten als Schweinebraten. Wobei sich Miriam Dick in ihrer Küche auch daran schon versucht hat. Neues ausprobieren und Altes nicht in Vergessenheit geraten lassen, das geht bei ihr Hand in Hand. In ihrem Auto hat Miriam Dick stets eine Schaufel griffbereit: „Damit ich was ausstechen kann“, erklärt sie. „Überall, wo ich hinkomme, sammle ich Samen oder auch mal ganze Pflanzen.“ Ihre große Leidenschaft sind Wildkräuter – ein positives „Erbe“ der Familie, aber nicht das einzige.

 

Kochen von Mutter und Oma im Einklang mit dem Jahreskreislauf gelernt

1986 als Tochter eines Arztes und einer Krankenschwester geboren, wuchs Miriam Dick mit einem jüngeren Bruder in Neukirchen am Inn nahe Passau in einem Haus mit großem Naturgarten auf. Mutter und Oma orientierten sich beim Kochen an dem, was der Jahreskreislauf und der Garten hergaben – wenn auch auf unterschiedliche Weise. Denkt Miriam Dick bei der Oma an Mehlspeisen wie Erdbeerknödel oder Rohrnudeln, so stand die Mama für pflanzenbasierte Vollwertküche mit Grünkernlasagne und Bulgurpflanzerl. Beides prägte Miriam Dick, beides mag sie – und dann erst die Wildkräuter. „Mein Opa hat immer Kräuter gesammelt. Im März ging es los mit dem Huflattich. Auf dem Dachboden hat er alles getrocknet und daraus seinen Haustee gemacht.“ Husten kurierte die Oma mit Löwenzahnblütenhonig. Zum Genuss gab sie ihn auch aufs Brot – selbstgemachtes oder von einem guten Bäcker gebackenes Brot, versteht sich.

 

Angetan haben es Miriam Dick überdies die alten Sorten von Gemüse und Obst. Nicht nur, weil das Geschmackserlebnis größer ist als bei den Sorten, die für einen möglichst großen Ertrag gezüchtet wurden. Miriam Dick faszinieren zudem die Geschichten hinter althergebrachten Lebensmitteln. So zum Beispiel die Tradition der Gründonnerstagssuppe, deren Ursprung bei den Kelten liegt. „Die Christen übernahmen den Brauch, eine Frühlingssuppe aus Wildkräutern zu kochen, interpretierten ihn jedoch um. Die oftmals sehr bitter schmeckende Suppe sollte an das Leiden Christi erinnern und wurde daher am Gründonnerstag zubereitet“, weiß Miriam Dick. Derlei Hintergrundwissen begeistert nicht nur sie selbst. „Bei Kräuterführungen sorgt es immer für Aha-Effekte, wenn die Teilnehmer sich plötzlich erinnern oder etwas für sie völlig Neues über die „Wurzeln“ unserer Ernährung erfahren.“

 

Wissen, wo’s herkommt und was dahinter steckt: Das ist eine wichtige Intention der Genussmanagerin. Die kulinarische Vielfalt vor der eigenen Haustür bewusst machen und zeigen, was man aus den Lebensmitteln machen kann. Mit Genuss wiederum lässt sich begeistern, Wertschätzung erzeugen und, wo nötig, Wandel anstoßen. Miriam Dick bringt Akteure zusammen. Erzeuger und Verbraucher, Landwirte und Gastronomen, Menschen, die die Begeisterung für hochwertige regionale und saisonale Lebensmittel teilen. „Ich würde nie von mir behaupten, in einer Sache die Beste zu sein, aber ich glaube, dass ich ziemlich gut darin bin, die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zusammen zu bringen“, sagt Miriam Dick.

 

Dass sie ihr Talent im Netzwerken einmal im Sinne der Kulinarik Niederbayerns einsetzen würde, war nicht geplant. Nach dem Abitur studierte Miriam Dick Tourismusmanagement und Sportmanagement mit Schwerpunkt Eventmanagement. Zunächst kümmerte sie sich bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf, dem Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht, federführend um Sponsoring und Veranstaltungsplanung. Doch als langjährige Pferdeliebhaberin war sie schnell desillusioniert: „Das Pferd als Sportgerät – das ist nicht das, was ich unterstützen möchte.“ Bei einem Praktikum für die „Fédération Equestre Internationale“ – dem Weltverband für Pferdesport – in Lausanne verlor sich schließlich auch ihr Jugendtraum, einmal die Olympischen Spiele zu organisieren, angesichts der knallharten Realität.

 

Die Welt gesehen und Niederbayern neu lieben gelernt

Dafür fand sie ihre Begeisterung für die Schweiz und die Berge. Sie begann, für die TX Group – das größte private Medienhaus in der Schweiz im Bereich Eventmanagement und Sponsoring zu arbeiten. Bis zu 15 Konferenzen organisierte sie pro Jahr. Ihrer Reiselust kam der Wechsel in die Schweiz entgegen. „Ich bin immer gerne aufgebrochen und habe mir die Welt angesehen, nach dem Abitur, im Studium, schon zu Schulzeiten.“ Bereits als 17-Jährige ging sie für ein halbes Jahr an eine High School nach Oregon. Später zog sie für ein halbes Jahr nach Barcelona und unternahm Abenteuerreisen wie eine fünfmonatige Reise mit der transsibirischen Eisenbahn durch Russland, Mongolei und China. Sie schloss bis heute Freundschaften mit Menschen, die ihr unterwegs begegneten. Aus dieser Zeit nimmt sie auch einen Grundsatz für ihre Arbeit als Genussmanagerin mit: „Vorurteilsfrei auf andere zugehen und sich deren Meinung anhören. Sich auf Neues einlassen.“  

 

Eine spannende, neue Lebenserfahrung war für Miriam Dick die Mama-Rolle: 2020 kam ihr Sohn Franzl zur Welt. Sie würde ihn alleine großziehen, so viel stand fest, und auch, dass sie nach Hause zu ihren Eltern wollte. So kehrte Miriam Dick zurück nach Neukirchen, wo sie sich abermals einer neuen beruflichen Herausforderung widmete. Unter dem Namen „Herzspatz“ gründete sie ihre eigene Puppenwerkstatt und nähte Puppen nach Waldorf-Art aus nachhaltigen und ökologischen Materialien. Ferner nutzte sie die Elternzeit, um die Ausbildungen zur Kräuterfachfrau und später zur Kräuterpädagogin zu absolvieren.

 

Faszination für vergessene Gemüsesorten

Ihr Wissensdurst ist damit nicht gestillt. Wo es geht, versucht Miriam Dick, etwas dazuzulernen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Sie besucht Kreativ-, Koch- und Gartenkurse. Im großen Naturgarten kultiviert sie vergessene Gemüsesorten wie die einst als Schinkenwurz bekannte „Nachtkerze“ – und die wilde Spinatart „Guter Heinrich“. Sie gärtnert nach den Regeln der Permakultur und Vielfaltsgärtnerei im Miteinander der Natur.  Als „Wuidewurzn“ gibt sie ihr Wissen selbst durch Kräuterführungen und Kochkurse weiter. Die gesammelten und geernteten Schätze verarbeitet sie unter anderem nach den Rezepten der mittlerweile verstorbenen Oma beispielsweise zu Kriacherlkompott und Holunderkiacherl.

 

Der Papa war es, der schließlich die Ausschreibung für die Leitung des Projekts „Genussregion Niederbayern“ in der Zeitung entdeckte. Miriam Dick bewarb sich, bekam den Zuschlag und trat im Mai 2022 die Stelle an, die vom Amt für Ländliche Entwicklung Niederbayern in Kooperation Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Frosten und Tourismus ins Leben gerufen wurde. Mit der Aufgabe als Genussmanagerin ist sie angekommen – und gleichzeitig aufgebrochen zu einer neuen spannenden Reise.

 

Quelle: Monika Bormeth, freie Journalistin im Auftrag der Genussregion Niederbayern

Bild: Sepp Eder

Mein Küchentipp:

ICH VERBINDE GENUSS MIT…

…Zeit, Ruhe und vollreifem, saisonalem Gemüse und Obst aus dem Garten.

 

MEINER BERUFUNG GEHE ICH NACH, WEIL…

…unsere Ernährung eine sowohl sehr persönliche als auch eine sich auf unsere Umwelt stark auswirkende Angelegenheit ist. Mit jedem Bissen, den wir tätigen treffen wir eine Entscheidung: Für uns selbst, aber auch in welcher Welt wir leben möchten bzw. wir unseren Kindern hinterlassen werden.

 

DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN SEHE ICH AKTUELL…

…darin, Menschen wach zu rütteln und sie für die eigene Ernährung zu begeistern (Siehe Punkt 2).

Auch das Thema Preissensibilität spielt in Deutschland eine sehr große Rolle. Dabei zeugt es von Selbstliebe und einem gesunden Selbstwertgefühl, bei Lebensmittel, die wir schließlich unserem Körper zuführen, auf beste Qualität zu achten. Der Preis sollte anders als es uns die Werbung der großen Diskounter suggeriert, eine Nebenrolle spielen. In dieses Thema spielt auch die Subventionspolitik. Der Markt setzt aktuell falsche Kaufreize. Dazu gibt es z.B. eine sehr interessante Studie: True Costs

Eine weitere, sehr große Herausforderung:  Die durch den Klimawandel verursachten Wetterumschwünge, die unsere Landwirte stark belasten und unsere Ernährungssouveränität gefährden.

 

WENN ICH IN DIE ZUKUNFT BLICKE, DANN…

…bin ich optimistisch, aber realistisch. Ich hoffe sehr, dass die Politik in naher Zukunft klare Weichen stellt, die zu einer nachhaltigen, gesunden und für jeden Einzelnen finanzierbaren Ernährung führen.

 

MEIN PERSÖNLICHER TIPP FÜR EINEN NACHHALTIGEN LEBENSMITTELKONSUM LAUTET:

…Gemüse und Obst selbst anbauen, einer SoLaWi beitreten, auf dem Wochenmarkt und bei Direktvermarktern einkaufen und die Gelegenheit zum Gespräch nutzen. Wirtshäuser unterstützen, die regionale Ware beziehen. Vielleicht auch mal eine positive Google Bewertungen hinterlassen. Und ganz viel selbst kochen. Am besten stets saisonal, dann freuen sich Gaumen und Geldbeutel gleichermaßen.

Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus mit Unterstützung durch das Amt für Ländliche Entwicklung und den Bezirk Niederbayern.

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