Fermentieren, bis es schmeckt

VON QUITTEN-ZIMT-MISO BIS SALZBERGAMOTTEN: ZU BESUCH BEI FERMENTATIONSEXPERTE STEFAN WEIGERT IN KIRCHROTH

STECKBRIEF

NAME: Stefan Weigert

 

GEBURTSJAHR: 1972

 

WOHNORT: Kirchroth

 

LIEBLINGSORT IN NIEDERBAYERN: Der Wald

 

GELERNTER BERUF: Schreiner/Musiklehrer

 

MEINE BERUFUNG: Kreativität freien Lauf lassen

 

MEIN MENTOR UND LEHRMEISTER: Stefan Wiesner, Heiko Antoniewicz, André Greul, Johann Lafer, Alexander Hermann, Tobias Betz

 

MEINE LEIBSPEIS AUS KINDHEITSTAGEN: Rindsroulade

 

MEINE AKTUELLE LEIBSPEIS: keine bestimmten; ich entdecke gerne neue Geschmäcker

 

DAKAUF ICH EIN: im Garten und in meinem Keller

 

DAS DARF IN MEINER KÜCHE NICHT FEHLEN: Leidenschaft

„Hereinspaziert“, sagt Stefan Weigert, als ich ihn im Februar besuche. Von außen unterscheidet sich sein Haus mitten in Kirchroth im Landkreis Straubing-Bogen nicht von denen seiner Nachbarn. Doch drinnen angekommen merkt man gleich: Hier wohnt ein Mensch, der in seiner Leidenschaft aufgeht.

 

Stefan Weigert, hauptberuflich Schlagzeuglehrer an der Kreismusikschule Mitterfels, ist passionierter Freizeitgärtner, Hobbykoch und Experte für Vorratshaltung, besonders für das Fermentieren von Lebensmitteln. Sein Credo: Aus dem, was in seinem Garten und ums Haus wächst, das meiste herausholen und haltbar machen. Und dabei entstehen je nach Saison verschiedene spannende Neu-Kreationen wie Schwarzwurzel-Quitten-Kimchi, fermentierter Lauch mit Erdäpfelsalz oder Quitten-Zimt-Miso. Auch den Koji-Pilz für seine Sojasoßen und Miso-Pasten züchtet er bei sich zuhause.

 

„Ich schaue meistens, was habe ich zuhause und entscheide dann, was ich daraus herstelle, anstatt Zutaten nach Rezept zu kaufen“, sagt der 52-Jährige, während wir bei ihm in der Küche sitzen und er mich einige seiner Eigenkreationen probieren lässt. Und die haben es geschmacklich in sich – wie etwa die Frühstücksbreze mit Miso-Butter. Kein Wunder, dass der ein oder andere Gastronom sich schon von ihm hat inspirieren lassen. Oder dass seine Fermentationskurse, die er an verschiedenen Orten mittlerweile seit über drei Jahren gibt, recht schnell ausgebucht sind.

 

Aufwachsen auf einem Selbstversorgerhof

Möglichst mit dem auszukommen, was direkt vor der Haustür gedeiht, lernte Stefan Weigert schon in seiner Kindheit. „Ich bin auf einem alten Selbstversorgerhof im Landkreis Landshut aufgewachsen. Da haben wir von dem gelebt, was dort gewachsen ist und was meine Mutter daraus gemacht hat.“ Obwohl das Leben damals nicht immer einfach gewesen sei und die Familie mit wenig Geld auskommen musste, betrachtet er es als wahren Luxus, so aufgewachsen zu sein. „Wir hatten trotzdem eigentlich alles: Kraut, Kohlrabi, Rosenkohl am Feld. Aber auch Tiere, eigentlich eine richtige Ranch. Für uns Kinder – ich hab ja noch drei Brüder – war das ein Paradies.“

 

Nur bei der Ausbildung ist der Weg der Brüder nach der Schule zunächst vorgegeben. Alle drei gehen erst einmal in die Lehre statt zu studieren. „Bei mir war es eine Schreiner-Lehre“, sagt Stefan Weigert. Nebenbei geht er einer weiteren Leidenschaft nach – der Musik, die ihn bis heute begleitet. Mit 26 Jahren holt er das Musikstudium nach und macht eine Ausbildung zum Schlagzeuglehrer. Seit 2005 ist er an der Kreismusikschule in Mitterfels tätig.

 

Kochleidenschaft liegt in der Familie

Doch auch das Kochen lässt ihn nie los. Vieles hat er sich dabei selbst beigebracht, anderes von der Mutter abgeschaut, die seine Begeisterung teilt.  „Als ich 20 war, haben wir uns jedes Wochenende abgewechselt und manchmal gleich zwei Drei-Gänge-Menüs zubereitet“, erzählt er.

 

Von seiner Mutter hat Stefan Weigert auch gelernt, den Blickwinkel zu verändern, wenn man von einer Aufgabe frustriert ist. „Sie hat immer gesagt: Wenn dich Unkraut zupfen oder Beeren pflücken nervt, dann machst du’s grad falsch. Sie konnte das tagelang machen. Und wenn es ihr wirklich mal auf die Nerven ging, dann hat sie zwischendurch zehn Minuten gesungen und getanzt, bevor sie weitergemacht hat. Sie hat gesagt: Ich kann mich jetzt aufregen, dann wird die Himbeere faulig und dann gibt’s keine Himbeermarmelade. Also machen wir es so, dass ich Spaß dabei hab.“

 

Sein Haus hat der Fermentationskünstler so eingerichtet, dass es zu ihm und seiner Passion passt. Deswegen findet man dort nicht unbedingt die klassische Raumaufteilung. Stattdessen gleicht sein Zuhause einer riesigen Vorratskammer: Vom Keller bis ins Obergeschoss finden sich in jedem Winkel die verschiedensten Fermente – von Salzzitronen über schwarzen Knoblauch bis hin zu Sojasoßen in allen Geschmacksrichtungen. Sein Wohnzimmer hat der 52-Jährige gar zu einem Fermentationsraum umgestaltet. Den Fernseher vermisst er da keineswegs. „Den habe ich eh nicht als solchen benutzt. Ich bin lieber im Garten, verarbeite meine Ernte oder entwickle neue Fermente, das macht mir einfach mehr Freude“, sagt er.

 

Begeisterung für Lebensmittel wecken

Bei seinen Fermentierkursen ist Stefan Weigert wichtig, dass der ursprüngliche Geschmack der Produkte nicht mit zu viel Gewürzen übertüncht wird. „Das Kimchi zum Beispiel mache ich nicht an, sondern lass ich so, wie es ist. Oder ich lasse die Teilnehmer auch mal ein älteres probieren, das schon etwas übersäuert ist, damit sie lernen, wie das schmeckt.“

 

Menschen, vor allem auch Kindern und Jugendlichen, ein Gefühl für die Lebensmittel und deren Verarbeitung zu vermitteln, liegt dem 52-Jährigen am Herzen. Deswegen gibt er immer wieder Kurse in Schulen, bei denen die Kinder mehr darüber erfahren, wie zum Beispiel aus dem Korn am Ende Brot wird. Oder warum es sich lohnt, sich Zeit zu nehmen, Teig selber zu machen und ihn ausreichend lange gehen zu lassen. „Beim Urlaub, beim Auto plant man immer weit im Voraus. Aber bei den Lebensmittel wollen wir immer alles sofort haben.“ Dabei sei es doch gerade bei der gesunden Ernährung bedeutend, sich genügend Zeit zum Kochen und Essen zu nehmen. „In meinen Brotbackkursen mache ich deswegen immer viel Werbung für lang gegangene Teige, weil sie bekömmlicher sind.“

 

Essen und Kochen mehr zelebrieren

Im stressigen Alltag geht bei vielen die Freude am Kochen gerne mal verloren. Was da hilft? Zum Beispiel eine ausgiebige Küchenparty mit Freunden, sagt Stefan Weigert. „Bei mir kommt da der Terrassentisch in die Küche und der Fleischwolf samt Wurstfüller auf die Theke und dann machen wir unser Weißwurstfrühstück, also Brezn, Senf und Wurst, komplett selber. Sowas ist total spannend, da lernt jeder mitanzupacken.“

 

Ein positiver Nebeneffekt: Wer sein Essen frisch selbst zubereitet, der setzt sich viel mehr damit auseinander, was er zu sich nimmt. Zum Beispiel, welche Inhaltsstoffe in dem Produkt stecken oder warum selbstgemachte Brezen und Würste anders schmecken als gekaufte.  „Man lernt, mehr Respekt zu haben – Respekt vor den Mitmenschen, den Viechern, den Pflanzen und das ist sehr wichtig“, sagt der 52-Jährige. Oft esse man zu gedankenlos und genieße gar nicht mehr richtig. „Wenn ich aber die Augen zumach, während ich die Breze esse, dann sehe ich noch vor mir, wie ich den Teig gemacht hab und gelaugt habe. Wenn ich im Sommer in eine frisch geerntete Tomate beiße, weiß ich noch genau, wie ich den Samen in die Erde getan hab und wie ich die Pflanzerl ausgepflanzt hab.“

 

Ein Gefühl fürs Kochen entwickeln

Nicht immer braucht man ein festes Rezept zum Fermentieren, sagt Weigert. Wichtig sei es, ein Gefühl fürs Kochen zu entwickeln und zu lernen, was Konsistenz, Geruch und Geschmack eines Produktes einem sagen. Auf seinen Kurs-Handouts setzt der Fermentationsexperte daher eher auf Listen mit Zutaten, die gut miteinander können. „Da steht dann zum Beispiel Rote Bete – Kaffee – Himbeere. Oft werde ich dann gefragt, wie viel man von was nehmen soll. Und ich antworte: Bis es dir schmeckt.“ 

 

Quelle: Susanne Pritscher, Genussregion Niederbayern 2025

Unsere 5 Fragen

ICH VERBINDE GENUSS MIT…

optischen, sinnlichen und geschmacklichen Erfahrungen. Genuss ist, wenn alles einfach zusammenpasst.


MEINE BERUFUNG ÜBE ICH AUS WEIL…

Es mich glücklich macht, ihr nachzugehen und meine Kreativität ausleben zu können.


DIE GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN SEHE ICH AKTUELL IN…

Darin, alle meine Vorhaben einzuordnen und zu entscheiden, wann ich was mache.


WENN ICH IN DIE ZUKUNFT BLICKE, DANN…

Bin ich positiv eingestellt. Ich habe durch meine Kurse gelernt, dass viele wieder gerne selbst etwas machen. Es kommt eine Generation, die wieder mehr selbst kreieren will. Die Zukunft ist so, wie man sie sich macht.


MEIN PERSÖNLICHER TIPP FÜR EINEN NACHHALTIGEN LEBENSMITTELKONSUM LAUTET:

Die Lebensmittel wieder komplett schätzen. Tiere und Pflanzen bestehen aus mehreren Teilen. Den Geschmack nicht als gut oder schlecht bezeichnen. Jede Pflanze schmeckt einfach einzigartig. Die Kunst ist, sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort einzusetzen. Und am Ende zählt auch die Leidenschaft, sich für nachhaltigen Lebensmittelkonsum zu engagieren.

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Stefan Weigert | Fermentationsexperte

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