Diese Spezialität darf bei der Kirta nicht fehlen.
Mehr erfahrenSchmalzgebäck
Kaum eine kulinarische Tradition ist so vielfältig wie das Schmalzgebackene
Am dritten Sonntag im Oktober feiert man in Bayern Kirchweih. Der Kirta, wie man ihn in südbayerischen Gefilden nennt, ist seit jeher Anlass, besondere Schmankerl aufzutischen. Kulinarische Köstlichkeiten machen aus dem kirchlichen Anlass ein himmlisches Fest. Eine Spezialität zeichnet sich dabei durch besonderen Variantenreichtum aus: das Schmalzgebackene.
Die einen sagen Auszogene, die anderen sprechen von Kniekücherln oder Schmalznudeln, wieder andere bestehen schlicht auf die Bezeichnung „Kropfa“ – wobei dabei keineswegs ein mit Marmelade gefüllter Berliner Krapfen gemeint ist. Bleiben wir bei der ersten Bezeichnung, der wohl bekanntesten für diese herrlich lockere Köstlichkeit aus in Butterschmalz herausgebackenem Hefeteig. Auszogene sind die wohl prominentesten Vertreter des Schmalzgebäcks, aber beileibe nicht die einzigen.
Ein Gebäck mit vielen Varianten
Für kaum ein Traditionsgebäck findet man so viele Bezeichnungen und Rezeptvarianten. Je nach Region und Familie fallen sie oft anders aus. Das bestätigt Thomas Kröber. Der gelernte Bäcker und Koch führt seit 1987 gemeinsam mit seiner Frau Ulrike die Radizierte Tafernwirtschaft „D’Ehrn“ im Freilichtmuseum Finsterau im Bayerischen Wald. Hier kommt noch so manches Schmankerl aus früheren Zeiten auf den Teller. Auszogene – Thomas Kröber nennt sie Krapfen – hat der Wirt schon als zwölfjähriger Bub zum ersten Mal selbst zubereitet. Daheim im Familienwirtshaus, das Mama und Oma gut 20 Kilometer von Kröbers heutiger Wirkungsstätte entfernt in Hinterschmiding führten. „Die Tante Fanni hat mir gelernt, wie man Krapfen macht“, erzählt Thomas Kröber. „Und wenn mir was nicht gelungen ist, hat sie schon mal geschimpft.“ Denn die Tante Fanni hat nicht nach Rezept gearbeitet, sondern nach Gefühl – und das gelingt vor allem mit zunehmender Erfahrung.
„Wenn man heute nach Rezepten für Schmalzgebäck fragt, dann wird man bei jedem Koch verschiedene Varianten finden“, so Kröbers Erfahrung. Darum probiert der erfahrene Koch gerne überall, wo es Schmalzgebackenes gibt. Und er besteht auch nicht darauf, dass seine Zubereitung die einzig richtige ist. Bedauern empfindet er aber darüber, dass althergebrachte Familienrezepte heutzutage oft nicht mehr den Weg zur jungen Generation finden: „Die Weitergabe der Backkunst von der Oma oder Mama an die Kinder – das gibt es kaum mehr. So geht altes Wissen verloren.“
Noch etwas spricht in modernen Küchen oft gegen das Schmalzgebäck: der Zeitaufwand. „Viele Schmalzgebäcke, besonders Auszogene, sind sehr aufwendig“, sagt Thomas Kröber. Für seine „Kropfa“, die er Gästen gerne an Freitagen zu böhmischer Kartoffelsuppe reicht, steht Kröber schon mal um vier Uhr morgens in der Wirtshausküche.
Heutzutage hat sich das Schmalzgebäck weitgehend vom Kalender entkoppelt. Gereicht wird dann und dort, wo noch jemand Bezug zu Rezepten und Zubereitung hat. Mancherorts werden Kurse angeboten, so auch im den Freilichtmuseen. Museumswirt Thomas Kröber hat einen Tipp für Schmalzgebäck-Neulinge: „Die Auszogenen sind aufgrund des Hefeteigs ein eher schwieriges Gebäck. Weniger Fehler kann man bei den Bavesen machen. Auch die Schlosserbuben sind eine sehr gute und einfach zuzubereitende Nachspeise: Dabei werden Dörrpflaumen in einem Bierteig goldbraun rausgebacken und anschließend in Schokolade gewendet. Gebackene Hollerblüten kann ich ebenfalls empfehlen.“
Über die Historie des Schmalzgebäcks
Zeit in der Küche hat man früher zum Kirta mit Hingabe aufgewandt. Als wohl „üppigstes Fest im Jahreslauf“ beschreibt Hans Kratzer den Kirchweihtag in einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung und zitiert aus einer alten Chronik: „In zweimal 24 Stunden wurde verzehrt, was auf ein Vierteljahr zur guten Subsistenz einer Familie hingereicht hätte.“ Manch einer feierte über das Wochenende hinaus, getreu dem altbayerischen Spruch: „A g’scheide Kirta dauert bis zum Irta (Dienstag), es ko se a schicka bis zum Migga (Mittwoch).“ Legendär sind Kirchweihgans, Enten- und Schweinebraten und nicht zuletzt das Schmalzgebäck. Auch in ärmeren Bauernfamilien gab man sich alle Mühe, zum Kirchweihtag lukullisch aufzuwarten.
Feierte früher noch jeder Ort zum Festtag des Kirchenpatrons sein eigenes Kirchweihfest, wurde 1866 der dritte Sonntag im Oktober per Dekret als zentraler Kirchweihtag in Bayern festgelegt. Dies sollte einem Überhandnehmen der Feierlichkeiten Einhalt gebieten. Mancherorts werden aber noch heute zu anderen Tagen im Jahr Kirta-Dorf- oder Volksfeste gefeiert – in Niederbayern übrigens weit verbreitet ist die Bezeichnung „Kirta“. Abgeleitet von „Kirchtag“, gilt hier die männliche Form. „Kerwa“, „Kirwa“, „Kirmes“ sind nur einige Beispiele für weitere regionale Bezeichnungen.
Beim Schmalzgebackenen lassen die Namen oft Rückschlüsse auf die Art der Zubereitung oder die Optik des Gebäcks zu. Auszogene werden auch „Knieküchle“ genannt. Der Teig wird so lange auseinanderzogen – in vielen Rezeptvarianten über das Knie! – bis er in der Mitte hauchdünn ist. Dann dürfen die Teiglinge ins Schmalz. „Genuss Bayern“, eine Initiative des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus, schreibt zur Historie der Auszogenen, dass sie früher gar als Liebeszauberbrot galten. Demnach soll der Teig über dem nackten Pobacken der Frau ausgezogen worden sein, um die Männer liebestoll zu machen.
Die Geschichte vieler noch heute beliebter Schmalzgebäckarten reicht weit zurück. Laut „Genuss Bayern“ fand man in Mesopotamien aus der Zeit von 140 v. Chr. eine Rezeptur für Apfelkücherl. Auch in römischen Kochbüchern finden sich Apfelscheiben im Teigmantel. Schuchsen (auch Schuxen), ein Schmalzgebäck aus Roggenmehl mit Quark oder Kartoffeln, werden bereits im Jahr 1500 in der „Scheyrer-Dienstordnung“ erwähnt. Man vermutet, die Bezeichnung könnte von der Ähnlichkeit der Form mit einer Schuhsohle kommen.
Neben kirchlichen Feiertagen wird Schmalzgebäck im Fasching gereicht, so zum Beispiel die Hasenöhrl, deren Teigform an dünne Hasenohren erinnert. Sie sind eine energiereiche Köstlichkeit und waren daher in früheren Zeiten vor allem deswegen zum Ende des Winters beliebt. Praktisch war, dass man sämtliche Zutaten aus dem bäuerlichen Betrieb beziehen konnte. Zudem sei es für die Hausfrau leichter gewesen, den Schmalztopf über dem Feuer zu erhitzen, als den Ofen zu schüren, schreibt „Genuss Bayern“: Im Ofen wurde daher höchstens einmal die Woche gebacken, frisches Schmalzgebäck habe man täglich zubereiten können. Weil man während der 40-tägigen Fastenzeit kein tierisches Fett verwendete, war die bäuerliche Bevölkerung bestrebt, alle Vorräte vorher während der Faschingstage zu verbrauchen.
Quellen: „Das üppigste Fest im Jahreslauf“, Hans Kratzer, Süddeutsche Zeitung, 11.10.22;
Schmalzgebäck-Kurse
In den Freilichtmuseen Massing und Finsterau finden immer wieder Backkurse für Schmalzgebäck statt. Termine können auf Anfrage individuell angeboten werden. Auskunft gibt es bei Museumspädagogin Carolin Christoph unter 08724/960315.
Quelle: Monika Bormeth, freie Journalistin aus Landau, im Auftrag der Genussregion Niederbayern
Fotos: Sepp Eder
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